Ein meisterhaftes Zeugnis Prager Kunst und europäischen Geists
Peter Parler, ein Bildhauer des 14. Jahrhunderts, in Schwäbisch Gmünd geboren, erlernte sein Handwerk in Köln, übernahm die Berufsbezeichnung Parler als Name und wurde dann in Prag Dombaumeister. Der Begriff Parler bezeichnete einen Meister des Bauhandwerks bzw. Sprecher einer Bauhütte. Mit seinem Vater, seinen Brüdern und seinen beiden Söhnen schuf Peter Parler eine Vielzahl von baulichen Meisterwerken der Gotik. In Böhmen gründete er schließlich eine Schule, in der zahlreiche Bildhauer, Zieseleure, Modelleure und Maler tätig waren. Ihr Einfluss reichte weit über Böhmen hinaus. Heute steht der Name Parler für eine europaweit tätige Familie.
Meister aus der Dombauhütte der Parler waren wohl auch für den Bau einer der ältesten Kirche Stuttgarts verantwortlich, der nach dem Nationalheiligen Böhmens benannten Veitskapelle in Mühlhausen. Ortsadlige stifteten 1380 die dem Heiligen Veit gewidmete Kirche. Die Edelleute hatten als Diplomaten in Prag gelebt, damals Lieblingsresidenz von Kaiser Karl IV. und wichtigem Zentrum der Macht in Europa. Aus Prag brachten sie sowohl das Patrozinium als auch die Künstler mit nach Stuttgart.
Der äußerlich schlichte Bau besteht aus einem rechteckigen, flachgedeckten Saal, an den sich im Osten ein schmalerer, gewölbter Chor und im Westen ein quadratischer Turm anschließen. Was die Kirche zu einem der bedeutendsten Kleinode gotischer Baukunst in der Region macht, sind vor allem die zwischen 1400 und 1440 von den Prager Künstlern geschaffenen Wand- und Gewölbemalereien. Besonders hervorzuheben sind hierbei die 12 Felder der Veitslegende an den Chorwänden. Die Steinbaldachine zu beiden Seiten des Chorbogens wurden nachträglich eingefügt. Die spätgotischen Altäre – der Hochaltar sowie die beiden Seitenaltäre – entstanden zu Anfang des 16. Jahrhunderts.
Trotz ihrer außerordentlichen Bedeutung wurden an der im Zweiten Weltkrieg unbeschädigten, kirchlich und kulturell genutzten Veitskapelle lange Zeit keine grundlegenden Sanierungsarbeiten durchgeführt. Zwischenzeitlich war das Dachtragwerk infolge von Feuchtigkeitsschäden und Schädlingsbefall derart stark geschwächt, dass es an den Fußpunkten auswich und die Mauerkrone nach außen drückte. Dadurch kam es insbesondere im Chor, aber auch an den Fensterscheiteln zu Mauerwerksrissen. Dazu kamen Schäden an den Natursteinen am Chor und den Putzflächen.
Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz beteiligte sich ab 2009 neben Bund, Land, Kommune und Landeskirche dank der Mittel der GlücksSpirale, privater Spenden und der Erlöse eines Benefizkonzerts mit über 370.000 Euro an den Sanierungs- und Restaurierungsarbeiten am Bauwerk und den kostbaren Malereien. Die dringend notwendige Konservierung und Restaurierung der Wand- und Gewölbemalereien begann im Folgejahr. Lose Mörtelpartien mussten hinterspritzt, sich ablösende Malschichten gefestigt werden. Außerdem war die Entfernung von schadensträchtigen Überzügen und Verschmutzungen erforderlich. Am 1. Februar 2013 wurde der Innenraum der Kapelle wieder eingeweiht.
Die Stiftung beteiligte sich auch an den Zimmermannsarbeiten im Dachraum. Fehlende Balken wurden sehr exakt eingefügt und die Stabilität des stark beeinträchtigten Dachstuhles wiederhergestellt. Das Dach erhielt eine neue Dachdeckung. Zeitgleich legte man die Fassaden außen komplett frei, so dass sie ausreichend dokumentiert werden konnten. Hier setzten die Handwerker bereits eingefärbten trockengelöschten Kalkmörtel ein, der dann mit einer Schlämme im endgültigen ockerfarbenen Ton gestrichen wurde. Man verließ sich also nicht auf vorgefertigte Putz- bzw. Mörtel, sondern hat die historische Struktur und Textur des Putzes nach alten traditionellen Rezepturen wieder hergestellt. Im letzten Bauabschnitt konnte die Kirchengemeinde 2014 das Turmfundament und die Umfassungsmauern fertigstellen. |