Städtische Betreuungsbehörde schlägt Alarm
In Freiburg sind derzeit 100 Betreuer aktiv, jede/r Dritte davon geht in den nächsten Jahren in Rente
EBM Ulrich von Kirchbach: „Rechtliche Betreuung ist ein Thema, das jeden von uns betreffen kann“
Deutschland gehen die Berufsbetreuerinnen und -betreuer aus. Das sind jene Personen, die Unterstützung und Schutz bieten für jene Volljährigen, die wegen psychischer Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderungen ihre Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht (mehr) selbst regeln können.
Nun hören, teilweise altersbedingt, immer mehr langjährige erfahrene Betreuer auf – und es kommen kaum neue Kräfte nach. Dieser Personalmangel betrifft das gesamte Bundesgebiet. Im Stadtkreis Freiburg sind derzeit insgesamt 100 Betreuer aktiv; davon ist ein Drittel in der Altersklasse 60-65 Jahre und geht damit in den nächsten Jahren in Rente. Jetzt geht die örtliche Betreuungsbehörde in die Offensive und begibt sich öffentlich auf die Suche nach neuen Berufsbetreuern.
Auf einer Pressekonferenz wurden heute das Vorhaben und die entsprechenden Schritte vorgestellt. Dabei hob Sozialbürgermeister Ulrich von Kirchbach hervor: „Rechtliche Betreuung stellt zwar im öffentlichen Bewusstsein eine Randerscheinung dar. Gleichzeitig ist es aber ein Thema, das jeden von uns betreffen kann. Und das von allen gesellschaftlichen Entwicklungen und sozialpolitischen Veränderungen in besonderem Maß betroffen ist.“
Boris Gourdial, Leiter des Amtes für Soziales, betont: „Unsere Betreuungsbehörde setzt sich mit allen Kräften dafür ein, das Betreuungsrecht in seiner Bedeutung einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Mit der Aufklärung verbinden wir natürlich auch das Ziel, mehr Berufsbetreuerinnen und -betreuer zu gewinnen.“ Unter anderem gab es bereits Veranstaltungen zum Thema, zuletzt einen „Betreuungstag“ am 5. Oktober 2022 im Bürgerhaus Zähringen und einen Vortrag am 27. Oktober 2022, kurz vor der Betreuungsrechtsreform, die im Januar 2023 in Kraft trat.
Mit den Veränderungen im Betreuungsrecht, den damit gestiegenen Anforderungen an Betreuenden und wegen der neuen Registrierungsvoraussetzungen haben einige erfahrene Kräfte ihre Tätigkeit aufgegeben, und „Nachwuchs“ ist nur schwierig zu gewinnen. Die Altersstruktur der verbliebenen Kräfte lässt in den nächsten Jahren weitere Berufsaufgaben erwarten. Zum Teil scheiden dann Betreuerinnen und Betreuer aus, die eine hohe Anzahl an Klientinnen und Klienten (teils mehr als 40 pro Betreuer) rechtlich vertreten. Das steigert die Gefahr, dass die Betreuungsbehörde in naher Zukunft als Ausfallbürge tätig werden muss.
Beim heutigen Pressetermin waren auch Alexander Gerig und Alexander Steck dabei, die von ihrer reizvollen, vielfältigen Tätigkeit als Berufsbetreuer berichteten. Dabei kam auch zur Sprache, wie sich die jüngste Gesetzesreform im Betreuungsrecht auf alle an einem Betreuungsverfahren Beteiligten auswirkt – in besonders spürbarer Weise aber vor allem für die betreuten Menschen und ihre rechtlichen Betreuerinnen und Betreuer.
Wesentliche Ziele der Betreuungsreform waren die Stärkung des Selbstbestimmungsrechts, der Grundsatz der Erforderlichkeit und die Verbesserung der Betreuungsqualität. Durch die Einführung eines Registrierungsverfahrens müssen Menschen, die sich für eine berufliche Tätigkeit als Betreuer interessieren, bei der Aufnahme einer derartigen Tätigkeit mit höheren Kosten und einem größeren zeitlichen Aufwand rechnen. EBM von Kirchbach gestand ein: „Diese Faktoren verlängern den Entscheidungsprozess und damit den tatsächlichen Berufsstart für interessierte Menschen. Positiv ist daran jedoch, dass gerade Fachfremde gut vorbereitet an die anspruchsvollen Aufgabenstellungen in der rechtlichen Betreuung gehen. Dies kann nur im Interesse der rechtlich unterstützungsbedürftigen Menschen sein.“
Von den derzeit 100 Berufsbetreuerinnen und -betreuern in Freiburg kommen zwei Drittel aus den Berufsfeldern Sozialarbeit (41), Jura (20) bzw. Vereinsbetreuung (6). Dagegen waren 33 Personen anfangs facfremd; sie kamen aus der Pflegeberatung, der Betriebswirtschaft, aus kaufmännischen oder handwerklichen Berufen. Insgesamt werden derzeit 3276 Personen in Freiburg rechtlich betreut, davon 2052 von Berufsbetreuerinnen und - betreuern. Fast jeder zweite der beruflich betreuten Fälle (940) liegt in den Händen von Berufsbetreuerinnen und -betreuern, die über 60 Jahre alt sind. Diese müssen in absehbarer Zeit (bestenfalls geplant durch den Eintritt in den Ruhestand) an Nachfolger vermittelt werden.
Per definitionem benötigen Volljährige, die wegen psychischer Krankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderungen ihre Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht selbst regeln können, eine rechtliche Betreuung. Diese Person wird vom Betreuungsgericht bestellt; sie soll Unterstützung, Hilfe und Schutz leisten, erhält unter gerichtlicher Aufsicht die Vertretungsmacht nach außen, ist im Innenverhältnis aber zur Beachtung des Willens des Betreuten verpflichtet.
Rechtliche Betreuung ist keine soziale, pflegerische oder gesundheitliche Versorgung. Sie trat 1992 an die Stelle der früheren „Vormundschaft“ über Volljährige und ist auf die genannten Aufgabenbereiche beschränkt. |