IG Nord und Stadtplanungsdezernat stoĂźen Diskussion an
Expertinnen und Experten blicken ĂĽber den Tellerrand
Über 100 Mitglieder der Interessengemeinschaft Industriegebiet Nord (IG Nord) in Freiburg haben sich zusammen mit Vertretern der Immobilienbranche in der Stadt und der Verwaltung am vergangenen Donnerstag bei einem Fachgespräch zum Thema flächensparender Gewerbebau in Freiburg ausgetauscht. Als Fachreferentinnen konnten Ulrike Wolf vom Deutschen Institut für Urbanistik (DIfU) in Berlin und Christiane Müller vom Planungsbüro “Studio/Stadt/Region” in München gewonnen werden. Zudem nahmen Freiburgs Wirtschaftsförderin Hanna Böhme (FWTM), ihr Heidelberger Kollege Marc Massoth, der Karlsruher Stadtplaner Philipp Krass und der Freiburger Immobilien-Experte Matthias Sasse (MSI-Gewerbe-Immobilien) an der Diskussion teil, in deren Verlauf klar wurde: Freiburg hat einen eklatanten Mangel an Gewerbeflächen zu verzeichnen. Es gibt praktisch keine Entwicklungspotenziale mehr. Und: Die Debatte über die Wohnsituation in der Stadt muss um die Diskussion über die Zukunft Freiburgs als Gewerbestandort erweitert werden.
In ihrem Vortrag “Unternehmensstandorte flächensparend entwickeln” machte DIfU-Geschäftsführerin Ulrike Wolf dabei überdeutlich, dass Freiburg mit seinen Flächenproblemen nicht alleine ist. Allerdings gewinne das Thema Gewerbeflächen derzeit zunehmend an Brisanz, so Wolf. Flächenknappheit und die Konkurrenz zwischen Gewerbe- und Wohnflächen brächten es mit sich, dass die Städte ihre Planungen neu ausrichten und zu einer eigenen Liegenschafts- und Flächenpolitik zurückkehren würden. Nachverdichtung, flexible und nachhaltige Baukonzepte, die Verbindung von Ökologie und Ökonomie und vor allem das “Stapeln” von Gewerbeflächen seien die Kernthemen, bei denen Unternehmen, Verwaltungen, Verbände und Politik gemeinsam gefordert seien. Am Beispiel des Forschungsprojekts “Gewerbe & Stadt” verdeutlichte Stadtplanerin Christiane Müller, worum es geht: “München hat kaum Flächen, aber viel Entwicklungsdruck”, das Gewerbe sei dabei im “Kampf um Flächen” immer in einer schwächeren Position. Man müsse also eine Stadtentwicklung verfolgen, bei der “Räume und Funktionen” verdichtet und somit Flächen gespart werden können.
Auch in Freiburg gelte, dass die Konkurrenz um städtische Flächen die Wirtschaftsförderung in den vergangenen Jahren “wahnsinnig beschäftigt” habe, so Hanna Böhme: Lediglich 2,1 Prozent der Flächen in der Stadt seien Gewerbeareale, in den vergangenen knapp 25 Jahren seien gerade einmal knapp 15 Hektar Gewerbeflächen im Vergleich zu rund 200 Hektar Wohnfläche entwickelt worden und die aktuelle Reserve liege bei lediglich zwei Hektar.
Dabei gibt es dringenden Handlungsbedarf, zum Beispiel bei der Bereitstellung von Flächen für Handwerksbetriebe im Stadtgebiet. Heidelberg macht es vor, wie Marc Massoth erläuterte: dort gehören “Handwerkerhöfe” zum Entwicklungskonzept für die Innenentwicklung. Allerdings gibt es dort auch durch den Abzug der US-Streitkräfte Potenziale, die in Freiburg bei aller Vergleichbarkeit der beiden Städte fehlen. Der Trend, das Gewerbe zurück in die Stadt zu holen und mit anderen Infrastruktureinrichtungen wie Kindertagesstätten in Verbindung zu bringen, statt auf der Grünen Wiese weiter zu expandieren, sei auch in Karlsruhe da, bestätigten Matthias Sasse und Philipp Krass. “Die verschiedenen Akteure wurden aber bisher zu wenig eingebunden.”
Freiburgs Baubürgermeister Martin Haag bestätigte, dass es in Freiburg “Defizite” beim Thema Gewerbeflächen gibt. “Wir brauchen daher den Flächennutzungsplan 2040. Das Thema Wohnen allein reicht nicht aus, wir müssen Gewerbe und Wohnen miteinander verbinden.” In vielerlei Hinsicht stehe die Stadt da noch am Anfang der Diskussion. Das sieht auch Hanna Böhme so: “Die Freiburger hadern zu sehr mit dem Thema Höhe”, so die FWTM-Geschäftsführerin, die damit auch die Sicht der Unternehmerseite bestätigte, so IG-Nord/IG-Haid Vorstand Christian Schulz: “Das Thema Gewerbeflächen brennt uns Unternehmern auf den Nägeln, der Nachholbedarf ist riesig, und wir müssen zwingend endlich die Möglichkeit bekommen, mehr Gewerbeflächen durch mehr Geschossfläche zu generieren.” Dazu gehöre es auch, Quartiersgaragen für mehr Parkraum zu schaffen, wie beispielsweise das Park-Chaos im Gewerbegebiet Haid belege. Die Stadt stehe unter Zugzwang, so Christian Schulz, zumal die Gemeinden im Umland der Ansiedlung von Gewerbe und der Bereitstellung der entsprechenden Flächen positiv gegenüber stünden. “Es ist daher sehr gut, wenn die Verwaltung, die Unternehmen und die Akteure aus der Immobilienbranche hier endlich in den Dialog miteinander treten”, so Christian Schulz weiter. “Die Debatte um mehr Wohnraum in Freiburg muss endlich um das Thema Gewerbeflächen erweitert werden!”
INFO: Die IG Nord wurde 1996 ins Leben gerufen und versteht ich seither als Sprachrohr und Informations- und Kommunikationsplattform für ihre rund 150 Mitgliedsfirmen. Die IG Haid wurde 2011 durch den Unternehmer Christian Schulz nach dem Vorbild der IG Nord gegründet. Beide wollen ihren Mitgliedern ein Forum bieten, in dem man sich nicht nur gegenseitig in einem möglichst ungezwungenen Rahmen austauschen kann, und sie vertreten die Interessen der Betriebe nach außen gegenüber der Stadt und der Öffentlichkeit. Nicht zuletzt wollen die IG Nord und die IG Haid auch umgekehrt Ansprechpartner für die Öffentlichkeit im Austausch mit der Wirtschaft in Freiburg bieten. Infos über eine Mitgliedschaft finden Sie online ... |