Gutachten der Antidiskriminierungsstelle verlangt Aufhebung der Urteile
Anlässlich eines Gutachtens der Antidiskriminierungsstelle des Bundes zur Rehabilitierung und Entschädigung der nach 1949 aufgrund von § 175 Strafgesetzbuch (StGB) verurteilten Männer erklärt Axel Hochrein, Sprecher des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD):
Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) begrüßt das Gutachten der Antidiskriminierungsstelle des Bundes. Damit steht fest: Der Gesetzgeber kann nicht nur, vielmehr muss er die nach 1949 aufgrund von § 175 StGB verurteilten Männer rehabilitieren.
Das Gutachten macht deutlich: Die Bundesregierung kann sich nicht länger hinter Scheinargumenten verstecken, wonach eine Aufhebung der Urteile rechtlich nicht möglich wäre. Das Gegenteil ist Fall: Der Rechtsstaat zeigt gerade dann seine Stärke, wenn er so souverän ist, seine Fehler zu korrigieren.
Bundesregierung und Bundestag stehen nun in der Pflicht, die Betroffenen schnell zu rehabilitieren. Die Beseitigung dieses Unrechts, das im Namen der Bundesrepublik Deutschland erfolgte, muss noch in dieser Legislatur-Periode geschehen. Die Zeit drängt, damit Opfer der Homosexuellenverfolgung noch die Aufhebung der Unrechtsurteile und die Wiederherstellung ihrer Würde erleben.
Der LSVD fordert die gesetzliche Rehabilitierung aller nach 1949 menschenrechtswidrig wegen homosexueller Handlungen Verurteilten, eine individuelle Entschädigung für das erlittene Unrecht sowie einen kollektiven Ausgleich. Ein dementsprechendes Positionspapier hat der LSVD gemeinsam mit der Bundesinteressenvertretung schwuler Senioren (BISS) und der Deutschen AIDS-Hilfe verabschiedet.
Hintergrund
Für Homosexuelle war das NS-Unrechtsregime nach 1945 noch nicht zu Ende. Vom nationalsozialistischen Ungeist geprägt und mit demselben Eifer praktiziert wurde ihre Verfolgung bruchlos fortgesetzt. In der Bundesrepublik blieb § 175 StGB in der nationalsozialistischen Fassung bis 1969 unverändert geltendes Recht, wurde weiter angewandt und zerstörte das Leben unzähliger Menschen. Allein über 50.000 Männer wurden wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen verurteilt. Viele kamen ins Gefängnis, verloren ihren Beruf – ihre gesamte bürgerliche Existenz wurde zerstört. Während die Urteile nach § 175 aus der NS-Zeit 2002 aufgehoben wurden, steht dieser Schritt für die Verurteilungen in der Bundesrepublik und der DDR noch aus. |