Prolixletter
Dienstag, 3. Dezember 2024
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DIETER HILDEBRANDT AM KAISERSTUHL
So steht es fettgedruckt auf der Eintrittskarte vom 22. Januar 1983 für eine Veranstaltung der Volkshochschule Wyhler Wald. Ort: die Stadthalle Endingen. Kaum hingen die Plakate, waren auch schon die 2.000 Tickets ausverkauft. So voll war die Stadthalle seit ihrer Eröffnung noch nie gewesen. «Dieter Hildebrandt am Kaiserstuhl» – das war damals eben eine Sensation. Und diese Sensation war dem VGH Mannheim geschuldet, der kürzlich alle Klagen gegen den Bau des AKW Wyhl abgeschmettert hatte. Seither hing ein Damokles-Schwert über den Badisch-Elsässischen Bürgerinitiativen. Niemand wusste, wann und mit welcher Streitmacht die Stuttgarter Regierung nun den Bau würde durchsetzen wollen. Aber bevor Filbingers Nachfolger Lothar Späth einmarschieren konnte, kam eben dieser Dieter Hildebrandt, er hatte es uns versprochen.

Im Februar 1980 – der Mannheimer Prozess war schon in vollem Gange – hatten wir zu viert, zusammen mit Wolf Biermann und Hanns Dieter Hüsch, auf dem Stuttgarter Killesberg ein Benefizkonzert für die Familie Dutschke absolviert, und ich hatte zwischen den Liedern (u.a. «Krönungszug Lothars des Erstbesten») darüber gesprochen, dass wir nach dem Mannheimer Prozess ganz neue Widerstandformen finden müssten. Das hat Dieter Hildebrandt interessiert. Keine Selbstverständlichkeit für einen Sozialdemokraten, denn seine SPD brauchte noch fünf weitere Jahre, um sich von der Atompolitik zu verabschieden. «Wie kann ich euch helfen?» – «Komm halt bei uns vorbei, ich ruf Dich an, wenn es so weit ist!».

Zwei Jahre später war es dann soweit, ich habe angerufen, er hat sofort zugesagt, ganz selbstverständlich, und ohne Gage, wie die anderen Beteiligten auch. Die Volkshochschule Wyhlerwald organisierte ein Programm, das disparater nicht sein konnte, mit Annemarie Sacherer, Ernst Schillinger, Buki und d'Jokili-Brünnler vom Kaiserstuhl und den jungen Kabarettisten des Ensembles Schmeißfliege aus Freiburg und eben dem berühmten Gast und Zuschauermagneten Dieter Hildebrandt. Die Endinger Blasmusik gab das Startsignal mit «Ein Prosit der Gemütlichkeit!». Wolfgang Prosinger zwei Tage später in der Badischen Zeitung: «Gemütlichkeit und Dieter Hildebrandt? Das schließt sich aus. Drei Stunden später ist der Berichterstatter eines Besseren belehrt. Die vielen Köche haben den Brei nicht verdorben. Warum? Weil niemand versuchte, das Unvereinbare zu vereinen. Da stand Stück für Stück nebeneinander, kantig, auch klotzig, aber immer unverwechselbar, authentisch, kompromisslos...» Und ganz nebenbei haben wir auch an diesem Abend in einem satirischen Sketch mit einer neuen Widerstandform gedroht – Grenzverstopfung auf allen Brücken zwischen Straßburg und Basel. Auch diese Idee hat Dieter Hildebrandt außerordentlich gefallen und er hat sie lustvoll mitpropagiert.

Seit gestern konnten wir zahlreiche Nachrufe lesen, voller Bewunderung, Respekt, Begeisterung, Zuneigung, und alle haben sie Recht, die Nachrufer, keine Frage. Zusätzlich möchte ich nur auch daran erinnern, wie uns dieser großartige Kabarettist geholfen hat in einer Situation, als es noch kein Politikziel «Energiewende» gab und als wir noch keineswegs wissen konnten, wie die Wyhlgeschichte einmal ausgehen würde – grand merci! Und die Biermösel mögen ihm ein schönes Ständchen blasen, mit denen zusammen und mit ihrer schrägen Volksmusik hat Dieter Hildebrandt nämlich just ebenfalls in den frühen 80ern (zum Schrecken der CSU) begonnen, in manchen bayrischen Dörfern sein Unwesen zu treiben.

(vgl. auch Badische Zeitung vom 24.1.1983 «Notizen in der Provinz» von Wolfgang Prosinger, mit einem Bühnenfoto)
 
Eintrag vom: 21.11.2013 Autor: © Walter Mossmann 2013




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