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© Stadt Karlsruhe, Boris Burghardt | | | | | Deportation nach Gurs: Erinnerung als Auftrag | Karlsruher Delegation reist zum Gedenken nach Frankreich
Drei Nächte und zwei Tage waren die Züge aus Baden und der damaligen Saarpfalz unterwegs, bis sie den Bahnhof Oloron-Sainte-Marie am Nordrand der Pyrenäen erreichten. An Bord: über 6.500 Jüdinnen und Juden, die aus ihren Wohnungen geholt, zu den Bahnhöfen getrieben und in Züge verladen wurden. Im Lager Gurs fanden rund 1.000 von ihnen unter unmenschlichen Bedingungen den Tod. Etwa zwei Drittel der Deportierten wurden später in Vernichtungslager gebracht und dort ermordet. Nur wenige überlebten den Terror der nationalsozialistischen Machthaber.
Anlässlich des 85. Jahrestags der Deportation reiste eine Delegation aus Karlsruhe und weiteren Kommunen sowie aus den Ministerien Baden-Württembergs, des Saarlands und Rheinland-Pfalz zur Gedenkveranstaltung nach Gurs. Neben Oberbürgermeister Dr. Frank Mentrup nahmen auch Mitglieder des Karlsruher Gemeinderats teil. Organisiert wurde die Reise von der Arbeitsgemeinschaft zur Unterhaltung und Pflege des Deportiertenfriedhofs in Gurs (AG Gurs), die seit Jahren in der regionalen Erinnerungsarbeit aktiv ist. Die Stadt Karlsruhe ist die Geschäftsstelle der AG und vertrat in diesem Jahr als sogenannte „Sprecherstadt“ auch darüber hinaus die Mitglieder der AG. Maßgeblich unterstützt wurde die Veranstaltung wie in der Vergangenheit von der Israelitischen Religionsgemeinschaft Baden (IRG Baden), die ebenfalls mit einer Delegation vertreten war.
"Es geht um die Haltung"
„Nur durch die Berichte von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen konnte die Geschichte der Deportation so umfassend aufgearbeitet werden“, sagte Oberbürgermeister Dr. Frank Mentrup bei der Veranstaltung als Sprecher der AG Gurs. „Sie ermöglichen es uns, den Gräueln des NS-Terrors authentisch zu begegnen.“ Zugleich mahnte er, aus der Geschichte zu lernen: „Das ist keineswegs selbstverständlich. Unsere demokratische Gesellschaft ist fragil – das zeigt sich heute wieder im Erstarken von Populismus, Nationalismus und Rassismus.“
Vor 85 Jahren wurden aus Karlsruhe rund 950 Jüdinnen und Juden nach Gurs verschleppt – unter ihnen auch die im vergangenen Jahr verstorbene Zeitzeugin Hanna Meyer-Moses. Ihre Erinnerungen bilden die Grundlage eines Projekts der Katholischen Fachschule für Sozialpädagogik, dem Agneshaus Karlsruhe, das von der Stadt Karlsruhe initiiert wurde. In Workshops setzen sich Schülerinnen und Schüler mit der Geschichte auseinander und führten Gespräche mit Rolf Meyer, dem Sohn von Hanna Meyer-Moses, der als Zeitzeuge der zweiten Generation ihre Erinnerung weiterträgt. „Beim Thema Nationalsozialismus geht es nicht nur um Geschichte – es geht um Haltung“, betonen Lucie Scherer und N’da Adjoua Nina Kouamé von der Projektgruppe und Schülerinnen des Agneshauses. „Diese Verantwortung beginnt bei jedem Einzelnen.“
Erinnerung lebendig halten
Neben der Gedenkveranstaltung auf dem Friedhof und der Besichtigung des Lagergeländes stand auch der Austausch mit den französischen Gastgeberinnen und Gastgebern auf dem Programm.
Was vor 85 Jahren in Baden, der Pfalz und im Saarland geschah, bleibt schwer zu begreifen: Tausende Jüdinnen und Juden wurden aus ihrer Heimat gerissen, verschleppt und ermordet. Gurs nimmt in der regionalen Erinnerungskultur bis heute einen besonderen Platz ein. Bildungsarbeit, Ausstellungen und lokale Gedenkformen halten die Erinnerung lebendig.
Ein Teil dieser Arbeit ist die Ausstellung des Stadtmuseums Karlsruhe im Prinz-Max-Palais „… von der Bevölkerung kaum wahrgenommen“, die bis 1. Februar 2026 bei freiem Eintritt Fotografien zur Deportation der badischen Jüdinnen und Juden nach Gurs zeigt. Ergänzend widmet sich bis 7. November bei freiem Eintritt eine Ausstellung im Karlsruher Rathaus dem sogenannten Luxemburger Abkommen über die materiellen Ansprüche jüdischer Opfer und den deutschen Bemühungen um Verantwortungsübernahme. Auf der Webseite der Stadt Karlsruhe steht zudem ein Dossier zum Thema Gurs bereit; ein Video zur Gedenkveranstaltung folgt dort in Kürze. Am Gedenktag selbst, am 22. Oktober, veranstaltete die Evangelische Alt- und Mittelstadtgemeinde Karlsruhe mit der Youth Academy Baden einen Gedenkspaziergang zu Stolpersteinen Karlsruher Jüdinnen und Juden, die nach Gurs deportiert wurden. Zudem hat das Agneshaus eine öffentliche Gedenkfeier am Mahnmal in der Sophienstraße abgehalten.
Das Schicksal nie vergessen
Das gemeinsame Ziel aller Beteiligten: die Erinnerung wachzuhalten. „Wir müssen unseren Einsatz für Demokratie, Frieden, Menschenwürde und das Gedenken an das Unrecht von 1933 bis 1945 massiv verstärken“, betonte Christine Streichert-Clivot, Kultusministerin des Saarlandes und Vertreterin der Länder Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Saarland. Die drei Länder Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Saarland sowie die Heimatorte der Deportierten haben sich zum Ziel gesetzt, die Erinnerung an die nach Gurs Deportierten und die Gräber der in Südfrankreich Bestatteten zu erhalten. „Gedenken schafft Zukunft. Gleichgültigkeit, Vergessen und Verleugnen beschädigen sie“, sagte Rami Suliman, Vorsitzender der IRG Baden.
Das Schicksal der 6.500 aus Baden und der Saarpfalz verschleppten Menschen darf nie vergessen werden. | | | | | Eintrag vom: 24.10.2025 | |
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