Auf Zeitreise mit dem Arboretum im Stadtwald GĂŒnterstal
Die neue Tafel zum Wald im TertiÀr verbindet Erdgeschichte mit Energiefragen von heute
Waldbaden zwischen 1000 Baumarten aus 60 LĂ€ndern und 5 Kontinenten, das können Erholungssuchende im Arboretum in GĂŒnterstal. Wer dort spaziert, begibt sich nicht nur auf eine Reise um die Welt, sondern auch in die Vergangenheit. Eine neue Infotafel am TertiĂ€rwald zeigt, was das Aussterben der Dinos mit unserem Strom von heute zu tun hat. Das Projekt des Vereins âFreunde des Stadtwald-Arboretums Freiburg-GĂŒnterstalâ wurde vom stĂ€dtischen Forstamt unterstĂŒtzt.
Der neue âReisefĂŒhrer in die Vergangenheitâ nimmt Besuchende mit ins TertiĂ€r, das Erdzeitalter, in dem die ersten Laub- und NadelbĂ€ume wuchsen und SĂ€ugetiere die Reptilien als dominante Tiergruppe ablösten. Auf dramatische Weise war zuvor die Kreidezeit zu Ende gegangen: Vor 66 Millionen Jahren krachte ein Asteroid auf die Erde. Tsunamis, WaldbrĂ€nde, Erdbeben und eine Eiszeit machten dem GroĂteil der Dinosaurier und vielen anderen Lebewesen den Garaus. Auf ihren sterblichen Ăberresten wuchsen im TertiĂ€r BĂ€ume, die es heute im Arboretum zu sehen gibt, zum Beispiel GingkobĂ€ume, Sumpfzypressen, MammutbĂ€ume und Schirmtannen.
Auch ein Blick unter die Erde lohnt. Im TertiĂ€r lagerten sich abgestorbene Pflanzenteile aus UrwĂ€ldern in Mooren und SĂŒmpfen ab. Ăber Millionen Jahre pressten Druck und WĂ€rme die Pflanzenreste zu einem festen Stoff â der Braunkohle. Sie ist heute einer der wichtigsten fossilen EnergietrĂ€ger. Im modernen Tagebau dauert es nur Stunden, um einen Abschnitt Braunkohle aus 1000 Metern Tiefe abzutragen und zu verladen. Verbrannt wird sie in Stromkraftwerken innerhalb von Sekunden. Den langen Weg der Braunkohle fĂŒhren die neuen Infotafeln des Arboretums vor Augen â und laden ein, ĂŒber die Art und Weise, wie wir heute Strom produzieren, nachzudenken.
Auch das Arboretum selbst blickt auf eine bewegte Geschichte zurĂŒck. Ende des 19. Jahrhunderts eingerichtet, war es von Anfang an ein Sammelsurium fremdlĂ€ndischer Baumarten. Aus aller Welt trugen Freiburger Förster Mammutbaum, Tanne, Ginkgo und Co. zusammen und vermehrten sie am Standort. Das Arboretum war Versuchsgarten und Labor zugleich: Laien beobachteten die Natur, Fachleute untersuchten das Wachstum der BĂ€ume unter badischen Bedingungen. Trotz langer Reise ĂŒberlebten viele der exotischen BĂ€ume den Standortwechsel. Ein fĂŒr den Stadtwald charakteristisches Beispiel ist die Douglasie aus Nordamerika (Pseudotsuga menziesii), die seit 1896 in Freiburg angebaut wird. BerĂŒhmteste Vertreterin ihrer Art ist Waldtraut vom MĂŒhlwald, der höchste amtlich vermessene Baum Deutschlands im GĂŒnterstal. Mit der schnell wachsenden Baumart lĂ€sst sich viel Holz produzieren, weshalb sie zu einer der wirtschaftlich wichtigsten Baumarten geworden ist.
Heute ist das Arboretum ein lebendiges Archiv mit wissenschaftlichem Anspruch. Viele Studierende der Forst-Uni haben hier schon geforscht und Proben entnommen. Derzeit beschĂ€ftigen sie die Folgen des Klimawandels auf die Waldökosysteme. Monatelange Trockenphasen, sturzbachartige RegenfĂ€lle und SchĂ€dlingsbefall belasten die WĂ€lder und werfen dringende Fragen auf. Welche BĂ€ume wachsen hier kĂŒnftig noch? Was bedeutet das fĂŒr unser Wasser, unsere Luft, die Artenvielfalt im Wald? Im Arboretum gibt es Antworten. Denn hier wachsen nichtheimische Baumarten, die vielleicht besser mit den verĂ€nderten Bedingungen klarkommen als die heimischen. Zudem sieht man im Arboretum, wie sich nichtheimische und heimische BĂ€ume verhalten, wenn sie nebeneinander wachsen.
Interessant ist das Arboretum aber auch fĂŒr Forst-Laien, die in groĂer Zahl die fĂŒnf Themenpfade abstapfen. Wer 30 bis 90 Minuten aufbringen kann und sich fĂŒr Waldthemen interessiert, kommt auch ohne wissenschaftlichen Background auf seine Kosten. Denn die Pfade beleuchten je einen Aspekt unserer WĂ€lder, etwa die pflanzliche Heilkunde, das Prinzip Nachhaltigkeit oder die kulturhistorische Bedeutung von WĂ€ldern in der Welt.
Das Arboretum in seiner heutigen Form ist auch das VermĂ€chtnis eines ehemaligen Waldarbeiters im Forstrevier GĂŒnterstal: von Sepp Dietlicher. Im Selbststudium eignete er sich ein enormes Wissen ĂŒber dessen Baum- und Pflanzenarten an. Viele wussten seinen Rat zu schĂ€tzen, darunter auch die Studierende der Forstwissenschaftlichen FakultĂ€t, denen Dietlicher den Weg zu bestimmten Baumarten wies. Sein inniges VerhĂ€ltnis zum Arboretum brachte er am Ende seines Lebensweges 2018 mit einer groĂzĂŒgigen Spende an die âFreunde des Stadtwald-Arboretumsâ zum Ausdruck. |