Max Beckmann ab 26. Oktober im Haus der Graphischen Sammlung
Pulsierendes Nachtleben, schrilles Varieté und bizarre Jahrmarktszenen: Für Max Beckmann war die Großstadt eine unerschöpfliche Inspirationsquelle. In Frankfurt am Main schuf er zwischen den Eindrücken des Ersten Weltkriegs und dem Glanz der 1920er Jahre seine grafischen Hauptwerke. Über 50 Radierungen, Lithografien und Holzschnitte aus den Frankfurter Jahren sind ab Samstag, 26. Oktober, in Freiburg zu sehen. „Max Beckmann. Die Sammlung Classen“ ist die zweite Ausstellung des Museums für Neue Kunst im Haus der Graphischen Sammlung. Sie läuft bis Sonntag, 16. Februar 2020.
Max Beckmann, geboren 1884 in Leipzig, gehört zu den bedeutendsten Künstlern der Klassischen Moderne. Als er 1950 in New York stirbt, genießt er bereits höchste internationale Anerkennung. Nicht nur seine Gemälde, auch seine Papierarbeiten sind in den Sammlungen großer Museen weltweit vertreten.
Für Beckmann selbst sind Zeichnung und Druckgrafik gleichrangig mit der Malerei. Seine Zeit in Frankfurt spielt jedoch vor allem für sein grafisches Werk eine Rolle: Nach einem Nervenzusammenbruch als Sanitätshelfer an der Front lässt sich der Künstler in der Main-Metropole nieder. Von dort schreibt er 1917 an seinen Verleger Reinhard Piper: „Ich bin weiter an der Arbeit, male auch wieder, aber die Graphik wird mich nun wohl als ein sehr guter Freund nicht mehr verlassen“. Geprägt von den Kriegserfahrungen entwickelt er seinen unverwechselbaren Stil. Mit scharfen Linien und radikaler Sachlichkeit bringt er das Spektakel der großstädtischen Kriegs- und Nachkriegsgesellschaft zum Ausdruck.
Beckmann ist in dieser Zeit kein Einzelkämpfer. Einige Buchprojekte und Mappenwerke entstehen in enger Zusammenarbeit mit befreundeten Literaten und Verlegern. Die Ausstellung lädt dazu ein, einen Blick in Beckmanns persönliches Umfeld zu werfen und seine guten Freunde kennenzulernen. Stellvertretend für zehn Weggefährtinnen und Vertraute des Künstlers stehen im Ausstellungsraum zehn Stühle: Wer mag, kann Platz nehmen und die vielfältigen Beziehungen entdecken. Unter den vorgestellten Persönlichkeiten sind die Schriftstellerin Lili von Braunbehrens, die Künstlerfreunde Ugi und Friedel Battenberg und seine zeitweilige Geliebte Hildegard Melms, genannt „Naïla“.
Das Highlight der Ausstellung ist Beckmanns 10-teilige Mappe „Jahrmarkt“. In diesem faszinierenden Zyklus nimmt er Aspekte der menschlichen Existenz und des Künstlerdaseins in den Blick. Daneben sind rund 30 Grafiken, größtenteils Kaltnadelradierungen, und fünf illustrierte Bücher zu sehen. Eines davon ist die Vorzugsausgabe des Bandes „Stadtnacht“. Die darin enthaltenen grotesken Gedichte von Lili von Braunbehrens hat SWR-Sprecherin Isabelle Demey für die Ausstellung eingesprochen. Eine weitere Hörstation und eine Litfaßsäule mit Plakaten versetzen die Besucherinnen und Besucher in die Atmosphäre einer Großstadt in den 1920er Jahren.
Der Großteil der gezeigten Werke stammt aus der Sammlung des Ehepaars Christa und Wolfgang Classen. Eigens für die Ausstellung haben sie noch im letzten Jahr Ankäufe getätigt, darunter das „Selbstbildnis mit steifem Hut“ von 1921. Hinzu kommen zwei Grafiken aus einer Schenkung der Hamburger Sammlerin Gabriele Rauschnig. Aus dem eigenen Bestand steuert das Museum für Neue Kunst ein Beckmann-Blatt sowie drei Grafiken von Rudolf Grossmann bei, auf denen er seinen Künstlerfreund Beckmann abbildet. Das Museum konnte sie, auch dank der Unterstützung des Ehepaars Classen, vor kurzem erwerben.
Christa und Wolfgang Classen sind den Städtischen Museen Freiburg schon lange freundschaftlich verbunden. Bereits 1999 hatte das Augustinermuseum französische Druckgrafiken aus ihrem Bestand ausgestellt. Das Ehepaar hat über Jahrzehnte eine beeindruckende Sammlung deutscher und französischer Malerbücher und Mappenwerke des 20. Jahrhunderts zusammengetragen. Diese haben sie 2002 in eine Stiftung eingebracht, die am Kunstmuseum Pablo Picasso Münster angesiedelt ist.
Kuratorin der Ausstellung „Max Beckmann. Die Sammlung Classen“ ist Verena Faber. Begleitend zur Schau erscheint ein reich bebilderter Katalog im Michael Imhof Verlag, der für 19,80 Euro an den Museumskassen und für 24,80 Euro im Buchhandel erhältlich ist. Neben wissenschaftlichen Essays finden sich im Katalog auch literarische Bildbetrachtungen von Hanns Zischler, Schriftsteller, Schauspieler und BeckmannFan.
Begleitend zur Ausstellung bieten die Städtischen Museen Freiburg vielfältige Veranstaltungen an: Das Programm reicht von Themenführungen und Familiennachmittagen über Vorträge und einen Filmabend bis hin zu Zeichen- und Druckworkshops. Alle Altersklassen sind angesprochen, in Max Beckmanns Welt einzutauchen. Am Samstag, 9. November, ist die Ausstellung anlässlich des Wochenendes der Grafik bis 20 Uhr geöffnet – mit Sonderführungen, Sektstand und Jahrmarkt-Atmosphäre.
Das Haus der Graphischen Sammlung im Augustinermuseum, Salzstraße 32, 79098 Freiburg, ist dienstags bis sonntags von 10 bis 17 Uhr geöffnet. Der Eintritt beträgt 5 Euro, ermäßigt 3 Euro. Für Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren ist der Eintritt frei. Beratung und Buchung von Führungen unter Tel. 0761 / 201-2501.
zum Bild oben:
Max Beckmann, Hinter den Kulissen (Jahrmarkt, Blatt 3), 1921, Sammlung Classen
(c) VG-Bild-Kunst, Bonn 2019, Foto: Axel Killian |