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Freitag, 26. April 2024
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Stadtsynode verzichtet auf Positionierung zu Dietenbach
LOKALES EVANGELISCHES KIRCHENPARLAMENT TAGTE MIT SONDERSITZUNG

Freiburg. Die Evangelische Stadtsynode wird sich im Vorfeld des Bürgerentscheids zum geplanten Stadtteil Dietenbach nicht positionieren. Bei einer Sondersitzung des höchsten Gremiums des Stadtkirchenbezirks votierten am Freitagabend (25. 1. 2019) im Gemeindezentrum Matthäus (Bischofslinde/Betzenhausen) zwar 23 delegierte und berufene Synodale aus den Pfarreien und Einrichtungen dafür, eine Aussage zur Frage des Bürgerentscheids zu treffen, doch 22 waren dagegen und es gab eine Enthaltung. Damit gab es keine Mehrheit in dem kirchlichen Gremium, die Frage gesellschaftspolitisch zu bewerten, weil nach der synodalen Geschäftsordnung Enthaltungen als ablehnende Stimmen gezählt werden.

Der Abstimmung vorausgegangen war eine kurze Andacht von Stadtdekan Markus Engelhardt (siehe Downloads hier unten), ein Rückblick zur Entscheidung, eine Sondersynode einzuberufen, von der Synodenvorsitzenden Regina D. Schiewer (Downloads) und eine Einführung in das Thema aus ethischer Sicht von Pfarrer Björn Slenczka (Download). Die dann folgende Podiumsdiskussion mit jeweils zwei Vertretern der Pro- und Contra-Seite vertiefte die Argumentationslinien. Die Podiumsdiskussion wurde von Stadtpfarrerin Gabriele Hartlieb moderiert.

Bei der Podiumsdiskussion wurden im Wesentlichen die bekannten Argumente der Gegner und Befürworter einer Bebauung der Flurgemarkung Dietenbach vorgetragen.

Michael Nödl, Hauptgeschäftsführer des Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverbandes (BLHV), wies bei der Podiumsdiskussion darauf hin, dass 31,9 Prozent der Fläche im Stadtkreis Freiburg bereits versiegelt seien. Das vorhandene Ackerland sei die Produktionsgrundlage für die landwirtschaftlichen Familienbetriebe, der vorhandene Boden sei nicht vermehrbar.

Demgegenüber erklärte Jochen Pfisterer, Geschäftsführer beim Diakonischen Werk Freiburg, dass das Personal aus den unteren und mittleren Einkommensgruppen schon jetzt über akuten Wohnraummangel klage. Er warnte vor einem „Sylt-Effekt“, wonach die Arbeitnehmer, die in der Stadt arbeiten, die Mieten hier nicht mehr zahlen können. Die hohen Mietpreise in Freiburg würden sich beispielsweise auch in der Schwangerschaftskonfliktberatung bemerkbar machen, die Betroffenen würden die hohen Mieten in ihre Entscheidung mit einbeziehen. Seine Erfahrung sei, dass die Hilfssysteme in Freiburg „verstopft“ sind, weil man keinen Wohnraum vermitteln könne. Von dem neuen Stadtteil erwarte er eine Dynamik auf dem Wohnungsmarkt. Durch die geplante Sozialbindung rechne er mit Mietpreisen von sieben bis neun Euro. Eine Nachverdichtung in den bestehenden Quartieren brächte keine schnellen Lösungen.

Für Freiburgs Ersten Bürgermeister Ulrich von Kirchbach ist der Bau des neuen Stadtteils mit geplanten 6.000 Wohnungen für 15.000 Einwohner eine „existentielle Entscheidung“. Freiburg habe in Deutschland die zweithöchsten Immobilienpreise und die fünfthöchsten Mietpreise. Der Mittelstand werde so aus der Stadt vertrieben. Immer mehr Menschen würden an den Rand der Obdachlosigkeit gedrängt. Er sei von dieser Situation als Sozialbürgermeister, „als Mensch und Christ“, sehr belastet.
Freiburg sei eine wachsende Stadt, die Alternativen zu einem komplett neuen Stadtteil seien gründlich geprüft worden. Doch „ohne Dietenbach reicht es nicht“. „In den letzten Jahren haben wir uns in die eigene Tasche gelogen, denn bis 2030 brauchen wir 18.000 Wohnungen, Dietenbach deckt nur ein Drittel davon ab“, ist von Kirchbach überzeugt.

Völlig anders sah dies Georg Löser. Der Sprecher von „RegioBündnis pro Landwirtschaft, Natur und ökosoziales Wohnen“ und Mitbegründer von ECOtrinova warf der Stadt Freiburg vor, mit überholten Bevölkerungsprognosen zu arbeiten. In der Vergangenheit hätte die Stadt viele Fehler gemacht, so sei die Mietpreisbindung im jungen Stadtteil Vauban viel zu kurz gewesen. Der neue Stadtteil käme viel zu spät. Er plädierte dafür, den vorhandenen Wohnraum besser zu nutzen. In den bisherigen Stadtteilen könnte durch „sozial-ökologischen Umbau“, Nachverdichtung und Aufstockung Wohnraum für „Zehntausende“ geschaffen werden.

Vor der Podiumsdiskussion hatte Pfarrer Slenczka, Projektbeauftragter für kirchliche Präsenz in neuen Stadtteilen, eine Einführung in das Thema gegeben. Er legte dabei den Schwerpunkt auf eine ethische Bewertung der Fragestellung. Evangelische Ethik sei Individualethik; die Frage nach dem richtigen Handeln (Ethik) müsse jeder einzelne evangelische Christ vor seinem eigenen Gewissen verantworten. Über ethische Fragen könne zwar auch per Mehrheitsbeschluss entschieden werden, dann sollte aber der Beschluss ein Minderheitenvotum einschließen. Er persönlich bleibe zwar bei seinem bisherigen Votum für den neuen Stadtteil, stelle aber fest: „Je länger und intensiver ich mich mit der Frage beschäftige, umso schwieriger wird es.“ Denn es gebe viele offene Fragen und auf beiden Seiten gute Argumente, die gründlich abgewogen werden müssten.

Dies schien das Empfinden der Synode insgesamt widerzuspiegeln. Denn im Anschluss an der konzentriert und fair geführten Podiumsdiskussion wollte sich niemand zu einer Frage der Positionierung konkret äußern. Die Abstimmung der 46 anwesenden von insgesamt 71 möglichen Synodalen brachte dann das Ergebnis, zur Fragestellung des Bürgerentscheids am 24. Februar nicht Stellung zu beziehen.
 
Eintrag vom: 29.01.2019  




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