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Freitag, 26. April 2024
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Stadt Freiburg legt vierten Bildungsbericht vor
Trend zum Gymnasium, Ausbau der Inklusion und erweiterte Betreuung in Kitas und Grundschulen bestimmen das Bild

Außerschulische Bildung birgt Potenzial

Als eine der bundesweit ersten Kommunen hat die Stadt Freiburg 2008 begonnen, die Bildungssituation in der Stadt systematisch zu erfassen. Die Ergebnisse werden regelmäßig veröffentlicht und liefern wichtige Impulse für bildungspolitische Weichenstellungen. Nun liegt der vierte Freiburger Bildungsbericht vor, der auf 260 Seiten erneut informative Fakten, Trends, Stärken und Herausforderungen zum Thema Bildung in Freiburg benennt.

Ein Team aus externen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern hat dazu die unterschiedlichsten Bildungskontexte von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen unter die Lupe genommen. Die Stabsstelle Freiburger Bildungsmanagement hat die Veröffentlichung federführend geleitet. Neu ist, dass das Kapitel zur non-formalen, außerschulischen Bildung nun auf umfangreichen Daten der Bürgerumfrage aufbaut. Dort gab es erstmals ein eigenes Fragenmodul zum Thema. Der aktuelle und alle bisherigen Bildungsberichte (2008 / 2010 / 2013) sind unter www.freiburg.de/bildungsbericht abrufbar.

„Der Bericht zeigt, dass wir in Sachen faire Bildungschancen auf dem richtigen Weg sind. Wir freuen uns über das gute Zeugnis für die Bildungsregion Freiburg“, so Oberbürgermeister Dieter Salomon bei der heutigen Vorstellung des Bildungsberichts. Schulbürgermeisterin Gerda Stuchlik unterstreicht: „Die Ergebnisse liefern auch wichtige Hinweise, wo wir uns in Zukunft noch stärker für eine hohe Bildungsqualität und einen gerechten Zugang zur Bildung für alle Freiburgerinnen und Freiburger einsetzen können.“

Besondere Aufmerksamkeit verdient zum Beispiel das berufliche Schulwesen, wie Schulpräsident Thomas Hecht erklärt: „Der Bericht betont den Stellenwert der beruflichen Schulen in der Integrationsarbeit. Sie übernehmen in diesem Kontext eine Vielzahl von Aufgaben, vom Erwerb der Sprache und sozialer Normen bis zur Vermittlung in die Berufswelt. Diesen Einsatz gilt es zu stärken.“

Dass das bildungspolitische Engagement der letzten Jahre Wirkung zeigt, unterstreichen zahlreiche Stärken, die der Bericht nennt:

So liegt die Zahl der Plätze in Krippen, Kindergärten oder der Tagespflege für die unter Dreijährigen in Freiburg deutlich über dem Landesdurchschnitt: 2016 nahmen 42 Prozent einen Platz in Anspruch, im Land lag die Quote bei 28 Prozent. Bei den Drei- bis Sechsjährigen nutzten sogar über 95 Prozent einen Platz (Landesschnitt 94,7 Prozent). Auch die Betreuungszeiten sind länger als im Landesschnitt: Fast jedes dritte betreute Kind in Freiburg verbringt 45 Stunden und mehr pro Woche in einer Kindertageseinrichtung.

In den Grundschulen haben sich die Betreuungszeiten ebenfalls verlängert, da die Stadt die Schulkindbetreuung seit Jahren ausbaut. Im Schuljahr 2016/17 nahm mehr als die Hälfte der Grundschulkinder an der Kernzeitbetreuung zwischen 7 und 13 Uhr teil. 46,3 Prozent nutzten die Übermittagsbetreuung und ein Drittel die erweiterte Nachmittagsbetreuung bis 17 Uhr.

Über 90 Prozent der Freiburger Kinder werden fristgerecht eingeschult, 3 Prozent mehr als zum Schuljahr 2012/13. Immer weniger Schülerinnen und Schüler besuchen hingegen ein Sonderpädagogisches Bildungs- und Beratungszentrum (SBBZ): Seit 2012 hat sich die Zahl der dort eingeschulten Kinder fast halbiert und liegt aktuell bei 2 Prozent.


Der Trend zum Übergang auf das Gymnasium nach der Grundschule hält in Freiburg weiter an und liegt nach wie vor zehn Prozent über dem Landesschnitt. Diese Entwicklung zeigt sich auch bei den Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund: In den letzten vier Jahren wechselten jeweils 38 bis 43 Prozent von ihnen auf das Gymnasium.

Die inklusive Beschulung von Kindern und Jugendlichen mit Beeinträchtigungen wurde seit dem letzten Bildungsbericht 2013 deutlich ausgebaut. Im Schuljahr 2015/2016 wurden in Freiburg 439 Kinder und Jugendliche in verschiedenen Schularten von der Grund- und Hauptschule bis zum Gymnasium inklusiv beschult.

Außerdem haben die Freiburger Schulen in dieser Zeit rund 1.200 neu zugewanderte Kinder und Jugendliche aufgenommen. Die meisten kamen in Klassen unter, die speziell auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten sind: Im Schuljahr 2016/17 gab es in Freiburg 46 Vorbereitungsklassen in allgemeinbildenden Schulen. Dazu kamen 15 VABO-Klassen (Vorqualifizierungsjahr Arbeit und Beruf ohne Deutschkenntnisse) an beruflichen Schulen.

Die Erhebungen mit der Umfragemethode SEIS (Selbstevaluation in Schulen) zeigen eine hohe Zufriedenheit mit dem Bildungssystem in Freiburg. Von 2006 bis 2015 nahmen über 70 Schulen der Region an insgesamt fünf Befragungen teil. Beteiligt waren insgesamt knapp 70.000 Schülerinnen und Schüler, Eltern, Lehrkräfte, Ausbildungsleitungen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Der Erwerb von persönlichen, fachlichen, methodischen und praktischen Fähigkeiten wurde dabei durchweg als gut bis sehr gut bewertet. Auch die positiven Rückmeldungen der Eltern unterstreichen die hohe Unterrichtsqualität in Freiburg.

Die Zahl der Abiturientinnen und Abiturienten ist trotz eines leichten Rückgangs deutlich höher als im Landesdurchschnitt. Das trifft sowohl auf deutsche als auch auf ausländische Schülerinnen und Schüler zu. Bei letzteren dominiert zwar weiterhin der Hauptschulabschluss, ein steigender Anteil erwirbt aber auch die mittlere Reife oder das Abitur.

Vor allem die beruflichen Gymnasien verzeichnen einen starken Anstieg der Schülerzahlen. Beim Wechsel auf eine berufliche Schulart fällt auf, dass die Vorbildung der Schülerinnen und Schüler ein „Upgrade“ erlebt hat. Das macht sich besonders in der dualen Ausbildung bemerkbar, wo 76 Prozent der Schülerinnen und Schüler bereits die mittlere Reife oder das (Fach-)Abitur mitbringen. 2013 waren es 68 Prozent.


Der Blick auf den Übergang ins Studium oder den Beruf zeigt ebenfalls viele positive Entwicklungen: Die Zahl der Werkrealschüler, die nach der zehnten Klasse in eine Ausbildung einsteigen, ist von 16 Prozent (2011) auf 28 Prozent (2015) deutlich gestiegen. Dazu hat vor allem das Programm „Erfolgreich in Ausbildung“ beigetragen, an dem alle achten, neunten und zehnten Klassen der Freiburger Werkreal- und Sonderschulen (SBBZ) teilnehmen. Es unterstützt die Jugendlichen mit messbarem Erfolg bei ihrer Berufsplanung und dem Übergang in eine duale Ausbildung.

Auch an den beruflichen Schulen gelingt den meisten Schülerinnen und Schülern ein erfolgreicher Wechsel auf weiterführende Schulen oder in eine Ausbildung. Besonderes Augenmerk gilt hierbei dem Modellprojekt „AVdual“, das aktuell in sieben Berufsschulklassen läuft: Die duale Ausrichtung mit Langzeitpraktika ist für viele Jugendliche ein Türöffner, der häufig in eine Lehrstelle mündet. Während des Programms profitieren sie von einer engen Betreuung, die sie unterstützt, den jeweils passenden Anschluss zu finden. Im vergangenen Schuljahr gelang 40 Prozent der teilnehmenden Schülerinnen und Schüler der Sprung in eine Ausbildung.

Unter den Freiburger Abiturienten entscheidet sich die Mehrheit für ein Studium. Ein weiterhin hoher Anteil von 45 Prozent schreibt sich in Baden-Württemberg ein, 15 Prozent in Freiburg.

Ein positives Feedback gibt der Bildungsbericht 2017 auch in Bezug zur non-formalen Bildung außerhalb des Schulkontextes. Ein entsprechendes Fragemodul in der repräsentativen Bürgerumfrage 2016 lieferte dazu eine breite Datenbasis. Dabei ging es vor allem um die Fragen, welche außerschulischen Bildungsangebote die Freiburgerinnen und Freiburger nutzen, was die Motive sind und welche Gründe für eine Nichtteilnahme sprechen. Im Ergebnis zeigte die Umfrage eine in hohem Maße bildungsinteressierte Bürgerschaft: Drei Viertel der Befragten stimmten Aussagen zur Lernbegeisterung zu. Ein Migrationshintergrund oder die Stadtteilzugehörigkeit spielten dabei keine Rolle. Laut der Umfrage hatte mehr als jeder dritte Befragte in naher Vergangenheit ein außerschulisches Bildungsangebot genutzt – Frauen deutlich häufiger als Männer und Jüngere häufiger als Ältere. Hauptmotiv war dabei, die eigenen Fähigkeiten zu erweitern. Freiburgerinnen und Freiburger mit Migrationshintergrund gaben häufiger als Motiv an, für Andere und das Gemeinwohl etwas leisten zu wollen. Dies spricht für das Potenzial der non-formalen Bildung bei der Integration. Als Grund für die Nichtteilnahme an entsprechenden Angeboten war der Faktor Zeit entscheidend.


Neben diesen positiven Entwicklungen benennt der vierte Bildungsbericht auch konkrete Herausforderungen, die es gilt, noch stärker in den Blick zu nehmen:

Von klein auf bis hin zum Beruf weisen Jungen weniger erfolgreiche Bildungsverläufe auf: Nach der Grundschule wechseln deutlich mehr Schülerinnen als Schüler auf das Gymnasium. In allen anderen Schularten sind hingegen die Jungen in der Mehrheit. Diese Entwicklung setzt sich bei den Schulabschlüssen fort: Deutlich mehr Mädchen erwerben die Hochschulreife. Und deutlich mehr Jungen verlassen die Schule ohne Abschluss. Zwar hatten Mädchen auch schon früher bessere Noten, doch seit einiger Zeit besitzen sie mehrheitlich auch die höheren Bildungsabschlüsse. Die gezielte Förderung von Jungen sollte daher aufmerksam weiterverfolgt werden.

Sichtbare Unterschiede zeigen sich auch beim Blick auf die Herkunft. Zwar haben sich die Bildungsverläufe von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund insgesamt verbessert. Dennoch finden sich in allen Bildungsphasen Benachteiligungen: Ausländische Kinder wechseln nach der Grundschule seltener auf das Gymnasium, sie erzielen prozentual niedrigere Abschlüsse und verlassen die Schule auch häufiger ohne Abschluss. Bei der Frage, wie sich die Situation verbessern lässt, rückt die Sprachbildung in den Fokus: Um am gesellschaftlichen Leben außerhalb und innerhalb der Schule teilzunehmen, sind die Kenntnisse der deutschen Sprache unverzichtbar. Der Bedarf an intensiver Sprachförderung vor der Einschulung ist stabil geblieben, obwohl der Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund zunahm. Wie bereits im Bildungsbericht 2013 zeigt beim Einschulungstest im vorletzten Kita-Jahr rund ein Viertel der Kinder sprachliche Defizite. Hier gilt es, die bisherigen Angebote in allen Bildungsphasen weiter auszubauen.

Nachteilig wirkt sich für ausländische Jugendliche auch der Trend zu einem höheren Abschluss aus: Mittlerweile ist der Realschulabschluss häufig Voraussetzung für eine duale Ausbildung oder Lehrstelle. Eine Anforderung, die viele Jugendliche mit Migrationshintergrund nicht erfüllen. Sie verbleiben daher länger in den Schulen, die den Übergang in den Beruf vorbereiten: Ihr Anteil in diesen Klassen ist von 51 Prozent (Schuljahr 2008/09) auf 75 Prozent (2015/16) gestiegen.

Die beruflichen Schulen verdienen in diesem Kontext verstärkte Aufmerksamkeit. Sie erfüllen für eine Vielzahl von ausländischen Jugendlichen eine doppelte Integrationsfunktion: Die Eingliederung in das Bildungssystem und anschließend in den Arbeitsmarkt. Dazu kommt die Unterstützung der Jugendlichen bei der Bewältigung immenser Herausforderungen wie dem Spracherwerb, einem unklaren Aufenthaltsstatus oder möglichen Traumatisierungen.

Ambivalent zeigt sich der im letzten Bildungsbericht beschriebene Rückgang der Klassenwiederholungen: In den Freiburger Gymnasien und der Werkrealschulen liegt die Quote seit Jahren unter dem Landesdurchschnitt. In den Realschulen stieg sie hingegen an, geht aber seit 2015 wieder zurück.

Die Zahl der Privatschulen ist seit dem Bildungsbericht 2013 um drei weitere auf nun 47 gestiegen. Rund ein Viertel der insgesamt rund 24.000 Schülerinnen und Schüler in Freiburg besucht inzwischen eine solche Schule. Eine nähere Analyse könnte zeigen, was die Gründe für den Anstieg sind und wie sich ein Wechsel zwischen privater und öffentlicher Schule gestaltet.

Nicht zuletzt gilt es, auf den positiven Ergebnissen zur nonformalen Bildung in Freiburg aufzubauen. Wie die Untersuchung zeigt, besteht in Freiburg eine hohe Affinität für entsprechende Angebote. Vor allem die Befragten mit Migrationshintergrund sind daran interessiert, sich für das Gemeinwohl einzubringen. Dieses Potenzial kann in der Integrationsarbeit genutzt werden.

Der Gemeinderat wird die Ergebnisse und Empfehlungen des vierten Freiburger Bildungsberichts diskutieren und voraussichtlich im Frühjahr über die vorgeschlagenen Handlungen entscheiden.
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Eintrag vom: 09.11.2017  




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