Gedanken ĂĽber Donald Trump
„Amerika First“ – Amerika zuerst – was haben Kommentatoren nicht alles in diesen Slogan hinein interpretiert! Isolationistisch sei das gemeint, Amerika werde sich nur noch auf seine Innenpolitik konzentrieren, Amerika werde sich nicht mehr um internationale Probleme kümmern, undsoweiter. Historisch vorbelastet ist der Slogan: nationalistisch seit Woodrow Wilson, antisemitisch seit Henry Ford, vereinnamt von den „Paläokonservativen“. Hat Trump ein Geschichtsverständnis? Aber nein: der Slogan spricht für sich (für Trump) und sagt es doch ganz deutlich: Amerika zuerst! Alles wird nur auf amerikanische Belange zugeschnitten. Ein nordkoreanischer Möchtegern-Diktator will auftrumpfen? Hier kann nur ein Land und ein Präsident die Grenzen aufzeigen:
Amerika unter Trump!
China verdient mehr Geld an Amerika als Amerika an China? Das muss bestraft werden – von Trump. Mexiko und Canada sind „so unfair“ zu Amerika – da lässt sich doch bestimmt ein Vertrag einseitig aufkündigen! Die Umwelt behindert Amerikas wirtschaftlichen Aufstieg? Weg mit ihr, dieser Umwelt!
Der Denkfehler besteht einzig darin, Trump eine tiefere, vielleicht diplomatische, vielleicht strategische Botschaft zu unterstellen. Was wenn es die wirklich nicht gibt? Warum sollte ein Präsident, welcher die Einfältigkeit quasi zum Staatsziel erhoben hat, mit intelligenten, mit versteckten Signalen arbeiten?
Nehmen wir Trump doch einfach mal Ernst: er meint es so wie er es sagt. Ohne Hintergedanken. Aber eben auch ohne Strategie.
Stellen wir uns doch einmal eine Baubesprechung während der Errichtung des berühmten Trump-Towers in Manhattan vor: es ist Montag morgen, 10.00 Uhr, die Bauleiter sind anwesend, die beteiligten Firmen tuscheln nervös und – es erscheint - der Bauherr: da werden Verantwortliche einen Kopf kürzer gemacht, da werden Handwerker zur Rechenschaft gezogen und – gefeuert – natürlich. Und wenn etwas finanziell schiefläuft helfen Steuertricks und dubiose Geldgeber. Das war und ist Trumps Welt. Warum unterstellen wir diesem Mann, dass er – seit er Präsident ist – nun mit Diplomatie, zeitgemäßem Menschenbild und zukunftsweisender Strategie arbeitet?
Er hat es vorher alles gesagt. Die Frage, ob sich eine Weltmacht so führen lässt ? Muss man das diskutieren? Ernsthaft? Das beantwortet sich dann doch von selbst. Und nehmen wir ein Beispiel bezüglich des Umgangs mit Nordkorea: wenn man Kim Jong Un schon nicht einfach angreifen und ausradieren darf, so ist es doch das Mindeste, dass man China und Russland Ansagen macht: ich, Donald Trump, verbiete euch hiermit, Nordkorea Öl zu liefern.
Oder - ja oder: ich treibe keinen Handel mehr mit euch. Ein wahrhaft genialer Schachzug (?)
Ist es ein lohnendes Geschäftt, sich über die wirtschaftliche Kompetenz des POTUS überhaupt Gedanken zu machen? Man kann sich vielleicht darüber unterhalten, welche Entwicklungen Trump mit seinem Handeln beschleunigt: Allianzen im Handel zwischen China und Russland, im weiteren Sinne eine Hinwendung Europas zum fernen Osten, eine erzwungene engere Einflechtung Japans in den asiatischen Kontext, und letztlich: eine Marginalisierung von Amerikas Einfluss
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Aber im Ernst: das wird jetzt recht kompliziert; und warum sollte man sich als Präsident einen markigen Spruch verkneifen, nur weil in Zukunft vielleicht was in die falsche Richtung läuft . . .
Es ist am Ende ganz einfach: Trump meint, was er sagt. Und die Hoffnung, es möge doch bitte eine versteckte Strategie geben, es mögen übergeordnete Ziele hinter diesem tumben Gerede stecken – das ist der Denkfehler.
Wir haben Trump missverstanden: Amerika First, Trump First: - mehr ist da wirklich nicht.
Und nun ?
Erstaunlicher Weise beschränken sich praktisch alle Kommentare zu Trump auf Kritik bezüglich seines aktuellen Tuns. Gehen wir doch den Schritt, und unterstellen mal ein erfolgreiches Impeachment oder einfach nur ein missglückte Wiederwahl in drei Jahren: was kommt nach Trump?
Eines schreit die Persönlichkeit Trumps praktisch in die Welt: „Ich, Donald Trump werde niemals freiwillig gehen“. Wie also kann der Abgang Trumps aussehen? Wird er – damit beginnt er in den letzten Wochen bereits – die radikale Rechte für sich instrumentalisieren?
Auch wenn dies für einen Mitteleuropäer komisch klingen mag: die amerikanische Verfassung erlaubt es, Amerika vor der eigenen Staatsgewalt zu beschützen; in zivilem Ungehorsam und der freien Interpretation, dass der Staat der Heimat Amerika schadet. Welche Kräfte wird das freisetzen?
Wir alle sind im Moment derart damit beschäftigt, jeden Schritt, jede Entgleisung Trumps medial zu begleiten – spöttisch, manchmal schmunzelnd, meist wütend - dass jeglicher Ausblick auf das „Danach“ im Nebel bleibt. Das hyperaktive Marktgeschrei des derzeitigen Präsidenten der USA bindet alle medialen Kräfte. Dabei ist doch die Frage, was nach Trump kommt, essentiell und beantwortet erst das Nachdenken über die eigentliche Gefahr, die Trump darstellt. Es mag wahrscheinlich sein, dass nach Trump das Pendel wieder umschwingt und wir einen demokratischen Kandidaten vorne sehen, jemand, der versucht zu einen, jemand der zu menschlicher Empathie fähig ist, jemand der sich seines Einflusses und seines Tuns gegenwärtig ist.
Aber wie sollen die erweckten radikalen und aggressiven Kräfte in der amerikanischen Gesellschaft wieder eingefangen werden? Wieviel gesellschaftlicher Wille, wieviel Kraft und Zeit wird dazu nötig sein ?
Trump hat auf internationaler Ebene in kürzester Zeit so viele Gepflogenheiten, so viele Regeln und so viele Verträge gebrochen; und, darüber muss man sich im Klaren sein: es gibt durchaus Kräfte, die dies dankbar zur Kenntnis nehmen. Es sind all jene, die sich ebenso über demokratische Regeln, über die Achtung der Menschenwürde, über die aufklärerische Aufgabe der Medien hinwegsetzen.
Welche zerstörerische Wirkung wird der Elefant Trump im feinen Geflecht internationaler Beziehungen entfalten? Wie viel Kraft wird es brauchen Regeltreue, Vertragstreue, Vertrauen in den internationalen Beziehungen wieder neu zu verankern?
Wie lange wird es dauern, die Achtung vor der investigativen Arbeit, vor der demokratischen Notwendigkeit von Journalismus wieder herzustellen?
Eines ist leider offensichtlich: Kaputt machen ist eindeutig einfacher als Aufbauarbeit. Und es geht wesentlich schneller. Kaputt machen kann er, der Trump: ObamaCare, Paris-Abkommen, Dekrete zur (Nicht-)einwanderung, Rechte von Schwulen und Lesben beschneiden, DACA abschaffen – die Liste ist lang. Aber: über allem steht nur „kaputt machen“. Trump hat noch nicht eine eigene Initiative auch nur als Gesetz vorgelegt. Noch nicht einmal eine Mauer bauen kann er . . .
Es gibt einen Gutteil Wähler, die im eigentlichen Sinne nicht Trump gewählt haben; sie haben die Idee gewählt, verkrustete Strukturen aufzubrechen. Sie wollten das Establishment zwingen, sich zu bewegen, sich wieder um Demokratie, um die Nöte der Bevölkerung zu kümmern. Welch grandiose Verkennung der Figur Trump!
So funktioniert das also, wenn man Gutes will und Böses dabei herauskommt. Auch diejenigen hätten zuvorderst eines tun sollen: besser zuhören, Trump ernst nehmen.
Dann wäre es nicht zu diesem Missverständnis gekommen. |