Untersuchung bislang einzigartig in Deutschland – Erstmals wurden tatsächliche Warenflüsse untersucht
Keine Kundenbefragung, sondern Datenermittlung bei der Produktion, beim Handel und bei Großverbrauchern
Regionale Produkte erfreuen sich großer Wertschätzung, aber entsprechen dem auch das tatsächliche Konsumverhalten und Angebot? Um diese Frage zu beantworten, hat die Stadt eine Studie zum regionalen Konsum in Auftrag gegeben. Denn Konsumverhalten und Lebensstil sind mit entscheidend, um die Klimaschutz- und Nachhaltigkeitsziele zu erreichen, auch wenn sie nicht direkt in kommunale Klimabilanzen Eingang finden, denn dem gesamten Bereich der Ernährung kann rund ein Drittel aller CO2-Emissionen zugeschrieben werden.
„Freiburg ist die erste deutsche Stadt, die eine solche Untersuchung hat durchführen lassen. Wie wir uns mit Lebensmitteln versorgen, hat erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt, auf das Klima, die Artenvielfalt, die Boden- und Wasserqualität, das Tierwohl und vieles mehr, hier in Freiburg oder in anderen Teilen der Welt“, so Umweltbürgermeisterin Gerda Stuchlik bei der Vorstellung der Studie.
Das renommierte Forschungsinstitut für Biologischen Landbau (FiBL) aus dem schweizerischen Frick wurde mit der Studie beauftragt und hat den Konsumanteil regionaler Produkte bei Gemüse und Obst, Brot, Fleisch, Milch und Molkereiprodukten, Eiern sowie bei regionalem Bier und Wein untersucht.
Zwei Besonderheiten machen die Studie bislang einzigartig. Erstmals wurden tatsächliche Warenflüsse untersucht und bewusst keine Kunden zu deren Wünschen nach regionalen Produkten befragt, sondern Daten an wichtigen Versorgungsschnittpunkten, wie bei der Produktion, beim Handel und bei den Großverbrauchern ermittelt.
Als regional wurden Produkte mit Ursprung aus dem Regierungsbezirk Freiburg definiert. Diese Definition entspricht der populären Wahrnehmung („Südbaden“) ebenso wie der Möglichkeit konkreter regionaler Versorgungswege (zum Beispiel Marktbeschickung oder Milcheinzugsgebiet).
Mit dieser Untersuchung liegt nun eine fundierte Grundlage zur aktuellen Diskussion um regionale Ernährung vor, von der aus sich viele einzelne Fragen gezielt weiter verfolgen lassen.
Hier die wichtigsten Ergebnisse:
Der Anteil regionaler Produkte am Konsum beträgt in Freiburg erstaunlicherweise insgesamt nur zwischen 12 und 20 Prozent. Die Region versorgt die Bürgerinnen und Bürger nur zu einem geringen Teil mit Lebensmitteln, der weitaus größere Anteil kommt aus dem globalen Markt.
Je nach Produkten variiert aber der Anteil regionaler Produkte erheblich. So beträgt die regionale Versorgung bei Milch rund 70 Prozent und bei Rindfleisch fast 80 Prozent. Hier bestehen geografisch und historisch bedingt Vertriebswege, wie genossenschaftliche Molkereien, eine große Zahl unabhängiger Metzgereien und Viehzucht in relativ kleinen Betrieben.
Bei Brot oder Bier lässt sich die Herkunft praktisch nur bis zur nächsten Vorstufe (Mehl, Malz) zurückverfolgen, jedoch nicht bis zum Ausgangsprodukt (Brotgetreide, Braugerste). Diese Produkte werden weitgehend auf einem überregionalen Markt gehandelt.
Interessanterweise liegt bei den Großverbrauchern in Gastronomie und in Kantinen der Anteil regionaler Lebensmittel über dem insgesamt niedrigen Durchschnitt. Für Gastronomie und Kantinen stehen teilweise andere Vertriebsstrukturen zur Verfügung als bei den einzelnen Konsumenten, wie etwa die direkte Belieferung oder der Großmarkt.
In nahezu allen Kategorien reicht die regionale Produktion nicht für den Konsum in Freiburg aus, so dass zusätzliche Produkte importiert werden müssen. Der tatsächliche Konsumanteil regionaler Produkte liegt aber noch unter dem, was an regionaler Produktion rechnerisch zur Verfügung stünde (Ausnahme Rindfleisch). Obwohl die Region insgesamt keine Überschüsse produziert (mit gewissen Ausnahmen bei Milch und Milchprodukten), ist die regionale Produktion in vielen Bereichen exportorientiert.
Mit den jetzt vorliegenden Ergebnissen aus der Studie kann die Stadt Freiburg regionale Lebensmittelversorgung als Teil ihrer Klimaschutz- und Umweltpolitik künftig verstärkt fördern. Ein direkter Einfluss auf die landwirtschaftliche Erzeugung ist für die Stadt aber kaum möglich.
So sollen regionale und biologische Produkte verstärkt Eingang in die Verpflegung an Schulen und Kitas finden. In Zusammenarbeit mit dem Netzwerk der deutschen Biostädte ist außerdem ein „Kantinenkongress“ in Freiburg geplant, um die verschiedenen Akteure aus den Bereichen Gemeinschaftsverpflegung und Außer-Haus-Verzehr zum Thema Regionalität und Bio zusammenzubringen
Darüber hinaus sollen regionale Produkte in ihrer besonderen Qualität sowie die hinter diesen Produkten stehenden Akteure der regionalen Wirtschaftskreisläufe (Erzeuger, Verarbeiter, Handel) für die Verbraucherinnen und Verbraucher sichtbar werden. Viele Repräsentanten der ansässigen Lebensmittelwirtschaft haben ihr Interesse bekundet und wollen sich an gemeinsamen Initiativen beteiligen.
Im Sommer findet vom 22. bis 24. Juli das AgriKultur-Festival zur Stadt-Land-Begegnung statt. Ein interkultureller Produkteführer Freiburg-Besançon zu regionalen Lebensmitteln und nachhaltiger Ernährungskultur ist in der Vorbereitung. Auch Bildungsprojekte mit der Öko-Station und im Netzwerk Bildung für Nachhaltige Entwicklung, Einkaufstagebuch als Mitmach-Aktion oder öffentlichkeitswirksame Regionalprojekte mit Mühlen, Metzgereien, Käsereien, Molkereien, Gastronomie, Einzelhandel stehen auf der Agenda.
Für neue Formen der Erzeugervermarktung sollen Akteure zusammen gebracht sowie der Einzel- und Großhandel beteiligt werden. So könnte beispielsweise eine Einkaufsplattform für regionale Produkte für Großverbraucher wie Gastronomie und Catering oder Erzeugerläden nach dem Muster einer Regionalmarkthalle eingerichtet werden.
Ökologisch überlegen sind regionale Versorgungsstrukturen, nicht in erster Linie wegen der Transportentfernungen, sondern weil sie verlässliche Beziehungen zwischen Konsumenten, Produzenten, Handel und Verarbeitern ermöglichen und nicht den gleichen Kostendruck erzeugen, der Mengenwachstum, Industrialisierung und Spezialisierung erzwingt.
Die Freiburger Studie zum regionalen Konsum wird in einer großen Veranstaltung in der Katholischen Akademie am 3. Mai, um 19 Uhr, der Öffentlichkeit vorgestellt. Ein namhaft besetztes Podium wird die Erkenntnisse und die Konsequenzen, die daraus zu ziehen sind, diskutieren. |